Bericht: Insulinpumpen-Funktionsstörung im Flugzeug?

Im August 2011 erschien bei Reuters folgende Nachricht:

From the flight deck: diabetics, watch your insulin.
„Changes in cabin pressure during flights may cause insulin pumps to deliver too much or too little of the medication – possibly putting sensitive diabetics at risk, researchers report“

Die Agentur bezieht sich auf einen Bericht, der in der neuen Online-Ausgabe von Diabetes Care von King et. al publiziert wurde (1).

Anlass zu den Untersuchungen der Autoren aus Newcastle, Australien, waren offenbar der Bericht eines 10-jährigen Mädchens mit Typ 1-Diabetes, dessen Blutzucker eine Stunde nach dem Flugzeugstart abfiel, wie es auch andere Insulinpumpenträger bei Flügen beobachtet hatten. Die Autoren fragten sich, ob die Benutzung von Insulinpumpen in Verkehrsflugzeugen während der Start- und der Landephase zu einer unbeabsichtigt zusätzlichen (Startphase) bzw. verminderten (Landephase) Insulingabe führen könne. King et.al. nahmen dazu eine Druckkammer, legten dort zehn Insulinpumpen mit Infusionsschlauch hinein und kontrollierten, ob die abgegebene Insulinmenge durch Drücke unterschiedlicher Größe beeinflusst wurde.

Es zeigte sich:

Bei einer Druckreduktion von 760 Torr auf 560 Torr (diese beiden Werte sind der obere und untere Grenzwert für den Kabineninnendruck bei Start und Landung) gab die Insulinpumpe 0,7 IE mehr, bei einer Druckerhöhung von 560 Torr auf 760 Torr 0,66 IE weniger ab. Dazu ist zu bemerken, dass der Kabinenluftdruck einem Höhenäquivalent von – 60 m bis + 2438 m (entspricht 8000 ft) entspricht. Nach der barometrischen Höhenformel ergeben sich daraus die genannten Druckwerte von 764 bis 560 Torr. Ähnlich wie die Druckkammerergebnisse fanden sich bei Studien im realen Flugzeug beim Start ein Mehr von 1.0 – 1.4 Insulineinheiten und beim Landen ein Rücksog von 0.58-0.87 Einheiten zurück in die Pumpe.

Weiterhin untersuchte man die Luftblasenbildung, die regelmäßig bei einer Druckminderung um 50 mm Hg entstehen, weil diese im direkten Zusammenhang mit den Druckänderungen steht (die Konzentration eines Gases ist proportional zum Partialdruck des entsprechenden Gases in der Flüssigkeit – d.h. mit Änderung der Temperatur und des Drucks ändert sich in einer Ampulle zwangsläufig die Größe einer Luftblase. Gesetz von Henry).

Mit anderen Worten: Wenn der Druck verringert wird, dann vergrößert sich die Gasblase (verdrängt damit Insulin nach außen), wird er erhöht verschwindet sie wieder (Insulin würde weniger abgegeben).

Zum Abschluss eine allgemeine Anmerkung:

Das grundsätzliche Problem solcher und ähnlicher Presse-Darstellungen ist, dass unter Laborbedingungen erzielte und in der Fachliteratur dargestellte Versuchsergebnisse von der Laienpresse aufgegriffen und mit vermeintlicher Besorgnis verbreitet werden. Das dient oft nicht (nur) der Information der Patienten, sondern führt nicht selten zu Verunsicherung oder Ängsten. Dieses Problem stellt sich natürlich in besonderem Maße rund um technische Lösungen in der Medizin – wo nicht selten Fortschritt und Sorgen punktuell aufeinandertreffen. Wenn wie in diesem Fall dann auch noch von der realen Anwendungssituation unterschiedliche Untersuchungen bzw. Versuchsbedingungen die Verunsicherung hervorrufen, ist das besonders bedenklich.

AGDT

(1) King BR et al. Changes in altitude cause unintended insulin delivery from insulin pumps: mechanisms and implications. Diabetes Care 2011 Aug 4 [Epub ahead of print]. doi: 10.2337/dc11-0139.